Die Mehrwertsteuer (MwSt.) ist in der Europäischen Union (EU) und vielen anderen Ländern ein integraler Bestandteil des Steuersystems. Sie wird auf den Verkauf von Waren und Dienstleistungen erhoben und muss von Verbrauchern beim Kauf bezahlt werden. Doch wie verhält es sich, wenn Waren oder Dienstleistungen grenzüberschreitend bezogen werden? Müssen ausländische Käufer unsere Mehrwertsteuer bezahlen? Und wie wird das mit dem Händler verrechnet? Diese Fragen wollen wir in diesem Blogbeitrag klären.
1. Mehrwertsteuer bei grenzüberschreitenden Käufen innerhalb der EU
Innerhalb der Europäischen Union gelten besondere Regeln für die Mehrwertsteuer. Wenn ein Verbraucher aus einem EU-Land in einem anderen EU-Land einkauft, wird in der Regel die Mehrwertsteuer des Verkäuferlandes berechnet. Das bedeutet, dass ein Kunde aus Deutschland, der in Frankreich online einkauft, die französische Mehrwertsteuer auf den Kaufpreis zahlt.
Ausnahmen:
- Fernabsatzregelung: Seit Juli 2021 gibt es in der EU die sogenannte “One-Stop-Shop” (OSS) Regelung. Diese besagt, dass Unternehmen, die einen bestimmten Schwellenwert (meist 10.000 Euro Umsatz pro Jahr) beim Verkauf in andere EU-Länder überschreiten, die Mehrwertsteuer des Käuferlandes anwenden müssen. Das Unternehmen muss sich dann in einem EU-Land registrieren und dort die Steuern zentral abführen.
2. Mehrwertsteuer bei Käufen außerhalb der EU
Wenn ein Verbraucher Waren aus einem Nicht-EU-Land bezieht, wird keine Mehrwertsteuer des Verkäufers aus einem EU-Land berechnet. Stattdessen gelten folgende Regelungen:
- Einfuhrumsatzsteuer: Beim Import der Waren in das Heimatland des Käufers wird in den meisten Fällen eine Einfuhrumsatzsteuer fällig. Diese entspricht der regulären Mehrwertsteuer des Landes, in das die Ware eingeführt wird (z. B. 19 % in Deutschland).
- Zollabgaben: Abhängig vom Warenwert und der Produktkategorie können zusätzlich Zollgebühren anfallen. Diese sind keine Mehrwertsteuer, sondern Abgaben für die Einfuhr bestimmter Waren.
Ein Beispiel: Ein deutscher Verbraucher bestellt ein Produkt in den USA. Der US-Händler erhebt keine deutsche Mehrwertsteuer. Beim Import nach Deutschland wird die Einfuhrumsatzsteuer erhoben und muss entweder vom Versanddienstleister oder direkt beim Zoll entrichtet werden.
3. Erkennung und Abzug der Mehrwertsteuer am Point of Sale (POS)
Am stationären Point of Sale (POS), also in einem Ladengeschäft, wird immer die Mehrwertsteuer des jeweiligen Landes berechnet – unabhängig von der Herkunft des Käufers. Es gibt keine automatische Anpassung an die Steuer des Käuferlandes.
Beim Online-POS wird die Mehrwertsteuer in vielen Fällen anhand der Lieferadresse des Käufers berechnet. Dies geschieht durch spezielle E-Commerce-Plattformen (z. B. Shopify, WooCommerce) oder Buchhaltungssoftware (z. B. Datev, Lexware), die Steuerregeln automatisiert anwenden. Allerdings müssen Händler oft selbst sicherstellen, dass die korrekten Steuersätze hinterlegt sind.
4. Steuererstattung für Touristen (Tax-Free-Shopping)
Touristen können unter bestimmten Voraussetzungen die bezahlte Mehrwertsteuer zurückfordern. Dies geschieht jedoch nicht im Heimatland, sondern bereits vor der Ausreise im Land des Einkaufs. Dazu müssen sie:
- die Waren aus der EU ausführen,
- sich die Steuererstattung im Geschäft oder an einem speziellen Tax-Free-Schalter bestätigen lassen,
- den Nachweis am Zoll vorlegen.
5. Verrechnung der Mehrwertsteuer durch den Händler
Für Händler ist die Verrechnung der Mehrwertsteuer ein wesentlicher Bestandteil der Buchhaltung. Im Inland erfolgt dies durch die Umsatzsteuervoranmeldung, bei der die eingenommene Mehrwertsteuer mit der gezahlten Vorsteuer verrechnet wird.
Bei grenzüberschreitenden Verkäufen:
- Innerhalb der EU: Händler können über den OSS-Mechanismus die Steuer für alle Verkäufe in andere EU-Länder zentral abführen.
- Außerhalb der EU: Hier hängt die Steuerabrechnung von den Regeln des jeweiligen Landes ab.
In vielen Fällen muss der Händler selbst keine Mehrwertsteuer abführen, da die Verantwortung beim Käufer liegt. Ausnahmen gibt es jedoch in bestimmten Ländern, darunter:
- Norwegen: Händler müssen sich für die “VAT on E-Commerce”-Regelung registrieren und die norwegische Mehrwertsteuer berechnen.
- UK (nach dem Brexit): Für Bestellungen unter 135 GBP muss der Händler britische VAT abführen.
- Australien & Neuseeland: Händler müssen bei bestimmten Umsatzgrenzen GST (Goods and Services Tax) erheben und abführen.
Fazit
Die Mehrwertsteuer bei ausländischen Zahlungen ist ein komplexes Thema, das sowohl für Verbraucher als auch für Händler einige Besonderheiten bereithält. Während Verbraucher beim Kauf im Ausland auf unterschiedliche Steuersätze und mögliche Einfuhrgebühren achten müssen, haben Händler die Pflicht, ihre Steuerverpflichtungen genau zu kennen. Besonders im EU-Binnenmarkt sorgt die OSS-Regelung für eine Vereinfachung, während beim Handel mit Nicht-EU-Ländern spezifische Vorschriften gelten.
Händler sollten sich über länderindividuelle Steuerpflichten informieren, um rechtliche und finanzielle Risiken zu vermeiden. Verbraucher hingegen sollten beim Einkauf außerhalb der EU stets Einfuhrumsatzsteuer und mögliche Zollabgaben im Blick behalten.



